„Insellösungen werden nicht zum Erfolg führen“

Programmieren für die Computer von morgen

Die Arbeit macht Lukas Burgholzer so viel Spaß, dass es ihm manchmal schwer fällt davon loszulassen. Die vielen Aufgaben, die es noch zu lösen gibt, um Software für Quantencomputer zu entwickeln, sind ein Ansporn für den jungen Informatiker. Sein Team, mit dem er sich so gut versteht, ist dabei keine geringere Motivation.

Von Maria Poxleitner

11 Uhr abends. Lukas schließt die Tür zu seiner Linzer Wohnung auf und stellt seine Sporttasche ab. Die zwei Stunden Tennis haben gut getan – abschalten, den Kopf frei bekommen. Nun zieht es den jungen Informatiker wieder an seinen Rechner. Bereits gestern haben sie das Programm in der Arbeitsgruppe stundenlang auseinandergenommen, den entscheidenden Fehler jedoch nicht gefunden. Doch gerade kam ihm eine Idee. Er klappt seinen Laptop auf und beginnt akribisch eine Code-Zeile nach der anderen zu durchforsten.

„Da kann ich einfach nicht aus meiner Haut“, gibt Lukas Burgholzer mit einem entschuldigenden Lächeln zu. Wenn er eine Lösungsidee für ein Problem hat, dann möchte er sie gleich ausprobieren – egal wie spät es schon ist. „Es lässt mich einfach nicht schlafen“, lacht der 29-Jährige. Arbeit und Freizeit voneinander zu trennen fällt dem angehenden Postdoc nicht immer ganz leicht, aber diese Trennung ist vielleicht auch nicht nötig, wenn die Arbeit zugleich Hobby ist. Und das sei sie definitiv, betont Lukas.

Das Programmieren wird zum Hobby

Dabei war nicht das Informatik- sondern das Mathematikstudium die erste Wahl. Während des Mathe-Bachelors an der Johannes Kepler Universität in Linz besuchte er die ersten Programmierkurse. Zuvor habe er das nie gelernt. Schließlich machte ihm das Programmieren aber so viel Spaß, dass er parallel zum Master in Mathematik noch den Bachelor in Informatik absolvierte.

Einer seiner Informatik-Professoren, sein späterer Ph.D.-Betreuer Robert Wille, begeisterte Lukas so sehr, dass er sich entschied, bei eben diesem Professor seine Bachelorarbeit schreiben zu wollen. „Optimal Mapping of Quantum Circuits to the IBM QX Architectures“ lautete letztlich der Titel der Arbeit. Dass es das Quantencomputing-Thema geworden ist, sei mehr eine pragmatische Entscheidung gewesen, es habe der Arbeitsgruppe von Robert damals einfach „gut reingepasst“. Er selbst sei bis zu diesem Zeitpunkt noch nie mit dem Thema Quantencomputing in Berührung gekommen.

Mittlerweile, nach vier Jahren Ph.D., ist er voll im Thema drin und Bücher, die auch so mancher Physikstudierende wälzt, wenn er sich mit der Quanteninformationstheorie vertraut machen will, stapeln sich in Lukas' Münchner Büro auf dem Schreibtisch. „Ich forsche sozusagen an der Software für die Computer von morgen, damit man sie verwenden kann, wie die Computer von heute“, erklärt der angehende Postdoc, wenn man ihn um eine knappe Zusammenfassung seiner Forschungstätigkeit bittet. Niemand, der mit Excel arbeitet oder Computerspiele spielt, müsse verstehen, was im Prozessor seines Computers vor sich geht, wie dieser Prozessor angesteuert wird oder wie man Programme schreibt, die etwas Sinnvolles auf diesem Prozessor tun. All die vielen Schritte zwischen Nutzer und Hardware laufen automatisiert ab – dafür sei in den letzten 50 Jahren viel Software entwickelt worden, sagt Lukas.

Lukas Burgholzer, 29


Position

Postdoc


Institut

TUM – Lehrstuhl für Design Automation
Q-DESSI & QACI


Studium

Mathematik & Informatik


Lukas entwickelt Methoden und Werkzeuge, die dabei helfen, wichtige Schritte bei der Software-Entwicklung für Quantencomputer zu automatisieren. Einer seiner Schwerpunkte liegt dabei auf Verifizierungs-Methoden, also der Entwicklung von automatisierten Verfahren, die Programme auf ihre Funktionalität hin überprüfen. Mit einem automatisierten „Äquivalenz-Check“ kann zum Beispiel ein Compiler als Fehlerquelle ausgeschlossen werden, wenn verifiziert wird, dass Quell- und Maschinencode dieselbe Funktionalität aufweisen.

Lukas mit seinen Teamkollegen Nils Quetschlich und Kevin Mato. Die Tage in München sind geprägt von zahlreichen Meetings und Diskussionen. Image credits: MQV | Jan Greune.

Von "Papier und Bleistift" zu automatisierten Lösungen

Ein wichtiger Baustein in diesem sogenannten „Software-Stack“ sind Compiler. Anwendungen werden heutzutage mit „Hochsprachen“ wie JavaScript, C++ oder Python geschrieben – Programmiersprachen, mit denen hochkomplexe Funktionalitäten ausgedrückt werden können. Der Code des Programmierers, der sogenannte Quellcode, wird dann in eine Sprache übersetzt, die der Prozessor versteht, und letztendlich mithilfe von Logikgattern umgesetzt. Diese „Übersetzung“ von Programmier- in Maschinensprache, die als Kompilierung bezeichnet wird, läuft gänzlich automatisiert ab. Im Quantencomputing hingegen werde hier noch viel „mit Papier und Bleistift“ gemacht. „Wir sind in einem so frühen Stadium, dass Anwendungen zum großen Teil so programmiert werden, dass Leute tatsächlich Sequenzen von individuellen Quantengattern angeben, die ausgeführt werden sollen. Das ist auf Dauer natürlich überhaupt nicht machbar und skalierbar“, erklärt Lukas. Bei heutigen Computern, bei denen sich Milliarden von Transistoren auf einem Chip befinden, sei das ja auch undenkbar. Automatisierte Lösungen zu entwickeln und letztlich dafür zu sorgen, dass Anwender Quantencomputer nutzen können ohne Quanten- bzw. IT-Experten zu sein – „Unsere Mission für die wahrscheinlich längerfristige Zukunft“.

Aber gerade, dass es von Seiten der Informatik noch so viel zu tun gibt, treibt Lukas an: „Die Perspektive der Softwareentwicklung für neuartige Systeme, wie Quantencomputing, finde ich extrem spannend. Man ist an der vordersten Front der Wissenschaft und kann in relativ kurzer Zeit große Beiträge liefern“.

In die Forschung gehen zu wollen war für den jungen Informatiker dabei zunächst überhaupt nicht klar. Nach seinem Mathematik-Master und während er noch an seiner Bachelorarbeit in Informatik schrieb, arbeitete er bereits für eine Firma. Doch als ihm Robert Wille eine Stelle als Doktorand anbot, fiel die Entscheidung schnell und der Job wurde gekündigt. Als sein Doktorvater während seines PhDs an die TUM wechselte, war für Lukas klar, dass er mitgeht – auch wenn er seiner österreichischen Heimatstadt dafür nicht den Rücken kehren wird. Denn seinen Lebensmittelpunkt sieht Lukas nach wie vor in Linz verankert: Freundin, ein großer Freundeskreis noch aus Kinderzeiten, die Stadt, in der er sich wohl fühlt. Er werde deshalb oft zwischen München und Linz pendeln.

„In München sitzen in der ganzen Nachbarschaft Leute, die am Thema Quantencomputing forschen und mit denen man sich austauschen kann.“

Dass seine Arbeitsgruppe nun in München verankert ist, darin sieht Lukas eine große Chance: „In Linz waren wir eine von wenigen Gruppen, die am Thema Quantencomputing gearbeitet haben. In München sitzen in der ganzen Nachbarschaft Leute, die daran forschen und mit denen man sich austauschen kann“. Dieser Austausch verlangt den Wissenschaftler:innen aber auch einiges ab. „Wenn wir als Informatiker mit den Physikern reden, braucht es sehr viel Zeit um sicherzustellen, dass beide Parteien dasselbe meinen“, meint der 29-Jährige und denkt dabei an Treffen mit mehreren MQV-Wissenschaftler:innen, bei denen das Thema Kompilierung im Fokus stand. Jeder spreche eine andere Sprache, aber würde man nicht miteinander reden, laufe man Gefahr die falschen Probleme zu lösen, sagt Lukas. Da ein Compiler als Übersetzer von Programmier- in Maschinensprache fungiert, macht es einen Unterschied, ob der Prozessor mit supraleitenden Qubits oder mit in Atomen kodierten Qubits arbeitet. Beispielsweise müsse man bei der Kompilierung von Programmen darauf achten, dass je nach Hardware-Technologie nur bestimmte Quantengatter unterstützt werden oder nicht alle Qubits miteinander „reden“ können, erklärt der junge Informatiker. „Um einen Compiler schreiben zu können, der auf eine bestimmte Hardware so gut wie möglich kompiliert, brauchen wir Charakteristiken der physikalischen Systeme, die wir in unsere Modelle einpflegen können.“ Man müsse versuchen die Physik ein bisschen mehr zu verstehen, die Physiker hingegen müssten Abstraktionslevel schaffen und dürften nicht mit physikalischen Details um sich werfen. „Wir müssen da irgendwie zueinanderfinden, denn Insellösungen werden nicht zum Erfolg führen.“

Mittags trifft sich Lukas mit Nils, Aaron und weiteren Doktoranden aus der Gruppe. Die Hände in den Taschen seiner kurzen Hose spaziert er gemeinsam mit seinen Teamkollegen vom TUM-Campus an der Arcisstraße hinüber zur Mensa. Seit einer Wette zu Schulzeiten trage er – sofern es ihm kein formeller Anlass verwehrt – immer kurze Hosen, auch im Winter. Fast sowas wie ein Markenzeichen, meint Lukas lachend. Vielleicht auch ein Zeichen für seine optimistische Ader. Die Sonne wird schon warm genug scheinen an diesem sonst noch kühlen Frühlingstag.

Lukas und Kevin Mato auf dem Gipfel des Bear Peak in Colorado. Die Erinnerungen an die verschiedenen internationalen Konferenzen sind meist geprägt von gemeinsamen Erlebnissen. Image credits: Lukas Burgholzer

Kritisch sein und das Beste aus sich und anderen heraus kitzeln

In der Mittagspause ist endlich mal Zeit sich persönlich auszutauschen. Ansonsten sind die Tage in München voll von zahlreichen Meetings und Diskussionen. Dass die kleine Gruppe aus Linz, bestehend aus Robert Wille und drei Doktoranden, es in den letzten eineinhalb Jahren geschafft habe, nach München zu wechseln und eine Gruppe mit mittlerweile über 15 Doktoranden aufzubauen, darauf sei er besonders stolz, meint der junge Informatiker. „Alle sind betreut und liefern wissenschaftliche Beiträge, die Impact haben. Da habe ich, glaube ich, durchaus meinen Teil dazu beigetragen.“ Er habe vom regelmäßigen und direkten Austausch mit seinem Doktorvater in den letzten Jahren stets profitiert. Jetzt ist er selbst in der Rolle des Betreuers und möchte das auch an seine Doktoranden weitergeben: bei Fragen und Anliegen jederzeit zur Verfügung stehen, zeigen, dass jemand dahinter ist, aber auch kritisch sein und versuchen, das Beste aus den Leuten – und auch aus sich selbst – heraus zu kitzeln. „Ich kann den anderen schon auch mal auf den Keks gehen“, sagt Lukas und lacht verschmitzt.

Nach dem Essen setzt sich die Gruppe noch auf einen Kaffee in der Lehrstuhlküche zusammen und tauscht sich über vergangene und anstehende Konferenzen aus. Karaoke singen in Tokio oder felsige Kletterpassagen meistern, um den Bear Peak in Colorado zu erklimmen. Diese gemeinsamen Erlebnisse, die so manche Konferenz begleiten, seien unfassbare Gelegenheiten, schwärmt Lukas: „Das schweißt das Team zusammen und ich bin furchtbar dankbar, dass das über die Arbeit möglich ist.“ Er sieht darin auch die Wertschätzung für die harte Arbeit, die man gemeinsam leiste. Schließlich ist es auch er, der die Pause beendet und zum Weiterarbeiten aufruft. Erstmal müssten Paper geschrieben werden, bevor man auf eine Konferenz fahren könne.

Große Zukunftspläne habe er eigentlich noch nie geschmiedet, meint Lukas, eher von Moment zu Moment gelebt. „Alles hat sich immer irgendwie ergeben und dann gut gepasst“. Mittlerweile sieht er seinen Platz aber in der Forschung. „Ich würde furchtbar gerne weiter in dieser Gruppe arbeiten. Eigentlich wünsche ich mir, dass alles genauso weitergeht, wie es gerade ist.“

 

Veröffentlicht am 21.07.2023; Interview am 17.03.2023