„Wir schießen so lange mit Lasern auf Atome, bis sie das tun, was wir wollen“

Digitale Quantencomputer aus Atomen bauen

Physik interessiert Kevin Mours so sehr, dass er sein Studium schon während der Schulzeit begann. Heute baut er als Doktorand am Max-Planck-Institut für Quantenoptik Experimente, mit denen er einzelne Atome einfängt. 

Von Veronika Früh

Die Kaffeemaschine in der Küche der Forschungsgruppe „MQV Quantum Computing“ am Max-Planck-Institut für Quantenoptik (MPQ) ist an ungewöhnlich viele Kabel angeschlossen. Kevin Mours, Doktorand der Gruppe, deutet auf eine kleine Platine und einen Computer-Bildschirm: „Ich habe einen Kollegen dabei unterstütz ein Programm zu schreiben, das unsere Strichliste für den Kaffee ersetzt und unsere interne Abrechnung digitalisiert“. Er grinst. Als Experimentalphysiker kann er nur schwer aus seiner Haut.

„Immer weiter warum, warum, warum fragen“ – so beschreibt Kevin Mours seine Motivation. Und für ihn kann die Physik seine Fragen danach, wieso sich die Welt so verhält, wie sie es tut, am besten beantworten. Schon seit der Grundschule faszinierten den heute 24-jährigen die Naturwissenschaften. Die Physik als sein besonderes Interesse kristallisierte sich dabei bald heraus. „Seit der siebten Klasse habe ich an Wettbewerben teilgenommen. Damit war klar, Physik wird es später sein, in welcher Form auch immer“, erzählt er. Naheliegend, dass der normale Physik-Unterricht ihm schnell nicht weit genug ging, selbst im Physik-Leistungskurs.

Also entschloss er sich, parallel zur Oberstufe mit dem Physik-Studium zu beginnen. Die Rheinland-Pfälzische Technische Universität Kaiserslautern-Landau (RPTU) bietet dafür ein spezielles Programm „Früheinstieg in das Physikstudium“ an. Da Kevin damit die ersten Kurse schon abgehakt hatte, konnte er sehr viel entspannter in sein reguläres Technophysik-Studium starten – eine Kombination aus Maschinenbau und Physik mit größerem Anwendungsbezug und Ingenieurs-Perspektive. „Die Physik hat mich immer ein bisschen mehr interessiert“, gibt Kevin zu, „aber gleichzeitig zu überlegen, wie man das Gelernte praktisch umsetzen kann, fand ich sehr spannend.“

Atome mit Lasern kontrollieren

Sein Weg führte den Doktoranden dann jedoch wieder weg von der angewandten Forschung hin zur Grundlagenforschung am MPQ. Um seine eigene Arbeit möglichst einfach zu beschreiben, greift Kevin gerne auf seinen Standardsatz zurück, wie er selbst sagt: „Wir schießen so lange mit Lasern auf Atome, bis sie das tun, was wir wollen“. Das würde sein Experiment eigentlich perfekt zusammenfassen.

Wer es genauer wissen möchte, dem erklärt Kevin das Ziel, einen digitalen Quantencomputer aus Atomen zu bauen. Dabei werden zwei vorher ausgewählte Zustände des Atoms als 0 und 1 codiert. „Wie bei einem klassischen Computer“, erklärt der Doktorand, „nur, dass das Umschalten von einer 0 zu einer 1 anders funktioniert.“ Hier kommen die Laser ins Spiel, mit denen die Forschenden die Zustände der Atome gezielt kontrollieren und überlagern können.

Kevin Mours, 24


Position

Doktorand


Institut

MPQ – Abteilung für Quanten-Vielteilchensysteme
TAQC


Studium

Technophysik


Kevin erforscht den Bau digitaler Quantencomputer mit Neutralatomen. Mithilfe leistungsstarker Laser fängt er Atome in optischen Gittern ein, um sie als einzelne Qubits zu kodieren und zu kontrollieren.

Jede Linse, jede Schraube, jedes Kabel in seinem Aufbau hat Kevin montiert und wochenlang genauestens eingestellt.

Aktuell befindet sich das Experiment, an dem Kevin arbeitet, noch im Aufbau. Als der Doktorand vor rund einem Jahr am MPQ anfing, waren gerade die Planungsphase vorbei und ein Großteil der nötigen Teile bestellt. Während seine Kolleg:innen das Vakuumsystem installierten, fing Kevin an, die ersten optischen Elemente zusammenzubauen. „Irgendwie müssen wir das Licht von A nach B bekommen und gleichzeitig die richtigen Frequenzen einstellen“, erklärt der Doktorand. Die vielen einzelnen Linsen und Spiegel auszurichten und die Elektronik dahinter einzustellen nahm dabei einen Großteil seiner Zeit in Anspruch.

Mittlerweile kann die Gruppe einzelne Atome kontrollieren und mit den Feinheiten der Frequenzen und Magnetfelder spielen. Konkret bedeutet das für Kevin: „Ich gehe ins Labor, drücke ein paar Knöpfe, lasse die Messung laufen und werte die Messung am Computer aus“. Je nach Messergebnis muss er dann nochmal am Experiment Hand anlegen und die einzelnen Elemente nachjustieren oder neue Komponenten hinzufügen  – so lange, bis am Ende alles perfekt eingestellt ist und die 1-Qubit Gatter ausgeführt werden können. Im nächsten Schritt wollen Kevin und seine Kolleg:innen dann 2-Qubit Gatter realisieren, womit eine größere Bandbreite an Computeroperationen durchgeführt werden können.

Das "blaue Wölkchen", Atome die in der magneto-optischen Falle (MOT) gefangen sind, zu sehen, gehört zu Kevins Highlights.

Glück ist ein blaues Wölkchen

Als einen der stolzesten Moment in seiner bisherigen Forscherkarriere beschreibt Kevin, als er und seine Kolleg:innen das erste Mal das atomare Signal in ihrem Experiment sehen konnten. „Das mag für Außenstehende erstmal blöd klingen, aber dieses Gefühl, wenn man das erste Mal einen blauen Strich in unserer Glaszelle sieht. Wenn man weiß, wir haben Atome genau da, wo sie sein sollen. Das ist etwas, worüber ich wirklich glücklich bin“. Auch wenn für ihn mittlerweile die sichtbaren Pixel auf dem Bildschirm interessanter sind, freut er sich noch jedes Mal, wenn die blaue „Wolke“ zu sehen ist – Atome, die in der magneto-optischen Falle (MOT) gefangen sind und beim Zurückfallen in den Grundzustand blaues Licht abstrahlen. Die farbigen Pixel, die er auf dem Bildschirm sehen kann, sind jeweils einzelne Atome, gefangen in optischen Pinzetten, die bei diesem Übergang fluoreszieren.

Bis es so weit war, dauerte es rund ein halbes Jahr – doch für Kevin siegte der Antrieb, ein so großes Experiment mit aufzubauen immer über die Frustration bei der Feinjustierung. So kannte er von Anfang an jede kleine Schraube und die Funktion jeden Reglers. „Dieser Teil des Experiments ist schon ein bisschen mein Baby“, sagt er mit Blick auf den optischen Tisch mit seinen zahlreichen Linsen und bunten Kabeln. Auch wenn der Aufbau an sich von Kevin stammt, ist es ihm wichtig zu betonen, dass natürlich die Leistung des gesamten Teams dahinter steckt, über das er auch schnell ins Schwärmen gerät: "Ich arbeite in einem sehr motivierten Team, das wirklich viel Lust auf dieses Experiment hat. Das reißt mich immer mit, auch wenn ich nicht viel Fremdmotivation gebraucht habe."

Von Anfang an am Aufbau des Experiments dabei zu sein, war für Kevin einer der Hauptfaktoren, ans MPQ zu kommen. Er wusste, er wollte nach seiner Masterarbeit mit sogenannten Rydberg- Atomen und optischen Pinzetten arbeiten und mit seinem Hintergrund im Bereich von ultrakalten Quantengasen seinen Horizont nochmal erweitern. Das MQV-Projekt passte da perfekt. Während seiner Masterarbeit an der UC Berkeley lernte er auf einer Konferenz Immanuel Bloch, Direktor am MPQ und Johannes Zeiher, Leiter mehrerer Forschungsgruppen am MPQ, kennen. Dass er direkt ein gutes Gefühl hatte, war letztendlich der Auslöser für seine Entscheidung, sich später auf die Stelle in ihrer Gruppe zu bewerben. „Innerhalb von zwei Wochen nachdem ich aus Berkeley zurückkam, habe ich hier angefangen“, erzählt Kevin mit einem Lachen. „Ich musste nur noch einmal nach Kaiserslautern, um meine Masterarbeit in den Briefkasten zu werfen.“

Zwischen Labor und Bergen

Die eine Sache, die der Doktorand an Bayern jetzt genauso schätzt wie an der Bay Area rund um San Francisco zuvor, ist die Möglichkeit, seine Freizeit mit Wandern zu verbringen. Bei den Ladenöffnungszeiten sieht es hingegen ganz anders aus. Nach seiner Zeit in den USA mit rund um die Uhr geöffneten Supermärkten fällt es ihm in seinem Arbeitsalltag hier manchmal schwer, noch vor acht Uhr einkaufen zu gehen. Besonders, wenn er gerade dabei ist sich in ein neues Problem einzuarbeiten und darüber die Zeit vergisst – „dann stellt man fest, heute gibt’s wohl nichts mehr zu essen“, sagt er und lacht.

Doch auch wenn es mal länger wird, solange die Zeit so im Flug vergeht, dass er es erst beim Blick auf die Uhr bemerkt, hat Kevin kein Problem damit. Und eine quasi unbemerkt eingelegte Nachtschicht hat noch einen weiteren Vorteil: je ruhiger es im Labor ist, desto besser laufen seine Messungen mit den sehr empfindlichen Aufbauten. Dafür nutzt er auch hin und wieder das Wochenende, wenn seine Motivation gerade zu groß ist, um bis Montag abzuwarten. Allzu oft würde das jedoch nicht vorkommen, beteuert der Doktorand. Und wenn es doch einmal zu viel wird, geht es zum Ausgleich in die nahen Berge.

 

Veröffentlicht am 26. Januar 2024; Interview am 31. Oktober 2023