Magnonen bevorzugen ein Rotationsgefühl beim Walzertanz


Ein Team von Forschern der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (BAdW), der Technischen Universität München (TUM) und der Universidad Autónoma de Madrid (UAM) hat das nicht-reziproke Verhalten von Magnonen in einem isolierenden Antiferromagneten nachgewiesen, was die Entwicklung nicht-reziproker magnonischer Bauelemente ermöglicht.

In der Informationstechnologie sind nicht-reziproke Bauelemente von zentraler Bedeutung. Sie lassen Informationsträger nur vorwärts und nicht rückwärts laufen oder lassen sie nur im Uhrzeigersinn und nicht gegen den Uhrzeigersinn zirkulieren. Kurz gesagt, sie stellen die Einbahnstraßen bereit, die die Signalführung und die Unterdrückung von Crosstalk ermöglichen. Wir haben nun zum ersten Mal den nicht-reziproken Transport von Spin-Informationen durch Magnonen in einem antiferromagnetischen Isolator beobachtet und konnten ihn sogar durch ein angelegtes Magnetfeld steuern. Diese Entdeckung eröffnet eine neue Perspektive für magnonische Bauelemente in der Informationstechnologie.

Heutzutage werden Informationen durch eine Vielzahl von verschiedenen Trägern wie Elektronen, Photonen oder Magnonen kodiert und transportiert. Während Photonen in Kommunikationssystemen dominieren, sind es Elektronen in informationsverarbeitenden Geräten. Neben einer Ladung besitzen Elektronen auch einen Spin als intrinsische Eigenschaft mit zwei verschiedenen Spin-Zuständen entlang einer Quantisierungsachse. Da dies eine binäre Informationskodierung ermöglicht, werden auch der Spin-Freiheitsgrad und das damit verbundene magnetische Moment in einem stetig wachsenden Bereich der Informationstechnologie, der Spintronik, ausgenutzt. Bekannte Beispiele sind magnetische Direktzugriffsspeicher oder magnetische Speichersysteme.

Die Verwendung von Elektronen für den Spintransport ist nicht die einzige Möglichkeit. In magnetisch geordneten Materialien wie Ferromagneten oder Antiferromagneten kann der Spin durch elementare Anregungen des Spingitters, so genannte Magnonen, transportiert werden, ohne dass damit ein Ladungstransport verbunden ist. Das heißt, die in Magnonen kodierte Spininformation kann sogar in elektrischen Isolatoren transportiert werden. Während die mit den Spins verbundenen magnetischen Momente in Ferromagneten eine parallele Ausrichtung bevorzugen, gilt für Antiferromagneten das Gegenteil. Interessanterweise lässt die antiparallele Anordnung zwischen benachbarten Momenten Antiferromagnete von außen "unmagnetisch" erscheinen, was nicht nur Robustheit gegenüber äußeren Magnetfeldern, sondern auch eine schnellere Kontrolle ermöglicht. Diese Eigenschaften lösten ein großes Interesse an antiferromagnetischen Materialien aus.

Bau einer Einbahnstraße für Spin-Informationen

Eine Schlüsselfrage im Hinblick auf die Anwendung von Antiferromagneten in der Informationstechnologie ist, wie nicht-reziproke Bauelemente realisiert werden können, die einen kontrollierbaren unidirektionalen Spinfluss ermöglichen. Zu diesem Zweck haben Experimentalwissenschaftler:innen des Walther-Meißner-Instituts (WMI) der BAdW und der TUM in Zusammenarbeit mit Theoretiker:innen der UAM den magnon-vermittelten Spintransport in Bauelementen untersucht, die auf dünnen Schichten des antiferromagnetischen Isolators Hämatit basieren. Da die Spin-Information nur durch Magnonen transportiert wird und kein Ladungstransport stattfindet, sind solche Bauelemente von besonderem Interesse für Anwendungen, die auf eine Verringerung der mit dem Ladungstransport verbundenen Verlustleistung abzielen. Vor allem aber entdeckten die Wissenschaftler ein nicht-reziprokes Verhalten, das darauf beruht, dass Magnonen beim Walzer um ein wirksames Feld eine bestimmte Drehrichtung bevorzugen, die sogar durch ein externes Magnetfeld eingestellt werden kann. Diese Entdeckung eröffnet neue Wege für die Informationsverarbeitung mit Antiferromagneten.

Dr. Matthias Althammer, der die experimentellen Arbeiten am WMI leitet, ist von diesem Ergebnis begeistert: "Wir untersuchen den Magnonenspintransport im Prototyp des antiferromagnetischen Isolators Hämatit seit mehreren Jahren. Es ist fantastisch, dass wir nun ein nicht-reziprokes Verhalten beim Spintransport entdecken konnten. In unseren Experimenten haben wir einfach die Spintransportrichtung umgekehrt und überraschenderweise Unterschiede im Spinsignal für entgegengesetzte Transportrichtungen gefunden." Dr. Akashdeep Kamra, der leitende Theoretiker an der UAM, weist darauf hin, dass das Verständnis des neuartigen Effekts neue theoretische Entwicklungen erforderte: "Für diese Arbeit mussten wir unser kürzlich entwickeltes Magnon-Spin-Transportmodell erweitern, das einen Pseudospin verwendet, um die Natur der Magnon-Anregungen in einem Antiferromagneten zu beschreiben. Unser erweiterter Formalismus ermöglicht es, die beobachteten experimentellen Signaturen vollständig zu beschreiben und entscheidende Informationen über den mikroskopischen Mechanismus der Nichtreziprozität zu gewinnen."

Ein entscheidender Schritt zur antiferromagnetischen Spintronik

"Hämatit ist ein bekanntes Materialsystem, und wir waren überrascht, nicht-reziproke Phänomene zu beobachten, für die man eigentlich viel komplexere Materialsysteme braucht", sagt Prof. Dr. Rudolf Gross, wissenschaftlicher Direktor am WMI, Professor an der TUM und Sprecher des Exzellenzclusters MCQST. "Allerdings haben wir bisher nur ein vorläufiges Verständnis des Effekts", stellt er fest und ergänzt: "Das zeigt sehr schön, dass es noch viel faszinierende neue Physik zu entdecken gibt, und ich bin mir sicher, dass sie einen fruchtbaren Einfluss auf die weitere Verbesserung unserer heutigen Informationstechnologie haben wird."

Quelle: WMI-Webseite

Publikation:

Observation of Nonreciprocal Magnon Hanle Effect
J. Gückelhorn, S. de-la-Pena, M. Scheufele, M. Grammer, M. Opel, S. Geprägs, J.C. Cuevas, R. Gross, H. Huebl, A. Kamra, M. Althammer,
Physical Review Letters 130, 216703 (2023)
DOI: 10.1103/PhysRevLett.130.216703

Acknowledgements:

This work has been supported by the Deutsche Forschungsgemeinschaft under Germany’s Excellence Strategy (EXC-2111 – 390814868) and project AL2110/2-1, as well as by the Spanish Ministry for Science and Innovation (AEI Grant CEX2018-000805-M) through the “Maria de Maeztu” Programme for Units of Excellence in R&D.

Kontakt:

Dr. Matthias Althammer, PD Dr. Hans Huebl, Prof. Dr. Rudolf Gross
School of Natural Sciences, Technische Universität München und
Walther-Meißner-Institut, Bayerische Akademie der Wissenschaften
Walther-Meißner-Straße 8, D-85748 Garching, Germany

Dr. Akashdeep Kamra
IFIMAC - Condensed Matter Physics Center
Universidad Autónoma de Madrid

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