Wenn Quantenteilchen wie Bienen fliegen


Ein Quantensystem, das aus nur 51 geladenen Atomen besteht, kann mehr als zwei Billiarden verschiedene Zustände annehmen. Die Berechnung des Systemverhaltens ist für einen Quantensimulator ein Kinderspiel. Doch selbst mit heutigen Supercomputern ist es fast unmöglich, das Ergebnis zu verifizieren. Forscher der Munich Quantum Valley (MQV) Initiative und der Universität Innsbruck haben nun gezeigt, wie diese Systeme mit Gleichungen aus dem 18. Jahrhundert beschrieben werden können.

Auf den ersten Blick mag ein System, das aus 51 Ionen besteht, einfach erscheinen. Aber selbst wenn diese geladenen Atome nur zwei verschiedene Zustände annehmen können, gibt es mehr als zwei Billiarden (10^15) verschiedene Konfigurationen, die das System realisieren kann.

Das Verhalten eines solchen Systems ist daher mit herkömmlichen Computern kaum zu berechnen. Zumal sich eine einmal in das System eingebrachte Anregung sprunghaft ausbreiten kann. Sie folgt einer Statistik, die als Lévy-Flug bekannt ist.

Charakteristisch für die Bewegung eines solchen Quantenteilchens ist, dass neben den kleineren Sprüngen auch deutlich größere Sprünge auftreten. Dieses Phänomen lässt sich auch beim Flug der Bienen und bei ungewöhnlich heftigen Bewegungen an der Börse beobachten.

Quantendynamik simulieren: Ein klassisch schwieriges Problem

Während die Simulation der Dynamik eines komplexen Quantensystems selbst für heutige Superrechner ein sehr schwieriges Problem darstellt, ist die Aufgabe für Quantensimulatoren ein Kinderspiel. Aber wie soll man die Ergebnisse eines Quantensimulators überprüfen, wenn man sie nicht neu berechnen kann?

Theoretische Vorhersagen legten nahe, dass es möglich sein könnte, zumindest das Langzeitverhalten solcher Systeme mit Gleichungen abzubilden, wie sie von den Brüdern Bernoulli im 18. Jahrhundert zur Beschreibung des Verhaltens von Flüssigkeiten entwickelt wurden.

Um diese Hypothese zu testen, verwendete das Forscherteam ein Quantensystem, das die Dynamik von Quantenmagneten simuliert. Damit konnten sie zeigen, dass nach einem anfänglichen Regime, in dem quantenmechanische Effekte dominieren, das System durch Gleichungen beschrieben werden kann, die aus der Fluiddynamik bekannt sind.

Außerdem zeigten sie, dass dieselbe Lévy-Flugstatistik, die die Suchstrategien von Bienen beschreibt, auch die Fluiddynamik in diesem Quantensystem beschreibt.

Gefangene Ionen als Plattform für kontrollierte Quantensimulationen

Der Quantensimulator wurde am Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften an der Universität Innsbruck gebaut. "Unser System simuliert effektiv einen Quantenmagneten, indem es den Nord- und Südpol eines Elementarmagneten durch zwei Energieniveaus der Ionen darstellt", sagt der Innsbrucker IQOQI-Wissenschaftler Manoj Joshi.

"Unser größter technischer Fortschritt war, dass es uns gelungen ist, jedes der 51 Ionen einzeln zu kontrollieren", bemerkt Manoj Joshi. "Dadurch konnten wir die Dynamik verschiedener Ausgangszustände untersuchen, was notwendig war, um die Entstehung der Fluiddynamik zu demonstrieren."

"Während die Anzahl der Qubits und die Stabilität der Quantenzustände derzeit noch sehr begrenzt ist, gibt es Probleme, für die wir bereits jetzt die enorme Rechenleistung von Quantensimulatoren nutzen können", sagt Michael Knap, Professor für kollektive Quantendynamik an der Technischen Universität München.

"In naher Zukunft werden Quantensimulatoren und Quantencomputer ideale Plattformen sein, um die Dynamik komplexer Quantensysteme zu erforschen", erklärt Michael Knap. "Wir wissen heute, dass diese Systeme ab einem bestimmten Zeitpunkt den Gesetzen der klassischen Strömungsdynamik folgen. Jede starke Abweichung davon ist ein Hinweis darauf, dass der Simulator nicht richtig funktioniert."

Veröffentlichung

Observing emergent hydrodynamics in a long-range quantum magnet; M. K. Joshi, F. Kranzl, A. Schuckert, I. Lovas, C. Maier, R. Blatt, M. Knap, C. F. Roos; Science, 13.05.2022 - DOI: 10.1126/science.abk2400

Weitere Informationen

Die Forschungsaktivitäten wurden von der Europäischen Gemeinschaft im Rahmen des Forschungs- und Innovationsprogramms Horizon 2020 und dem Europäischen Forschungsrat (ERC), von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen des Exzellenzclusters Munich Center for Quantum Science and Technology (MCQST), vom Munich Quantum Valley (MQV), das von der Bayerischen Staatsregierung aus Mitteln der Hightech Agenda Bayern Plus gefördert wird, und von der Technischen Universität München durch das Institute for Advanced Study, das aus Mitteln der deutschen Exzellenzinitiative und der Europäischen Union unterstützt wird, finanziert. Weitere Unterstützung kam von der Max-Planck-Gesellschaft (MPG) im Rahmen der International Max Planck Research School for Quantum Science and Technology (IMPRS-QST), vom österreichischen Wissenschaftsfonds (FWF) und dem Institut für Quanteninformation GmbH.

Kontakt

Prof. Dr. Michael Knap
Lehrstuhl für Collektive Quantum Dynamics
Technische Universität München
James-Franck-Str. 1, 85748 Garching, Germany
Tel.: +49 89 289 53777 – E-Mail: michael.knap(at)ph.tum.de
Web: https://www.ph.nat.tum.de/cmt/home/

Prof. Dr. Christian Roos
Institut für Experimentalphysics
Universität Innsbruck
Technikerstraße 25, 6020 Innsbruck, Austria
Tel.: +43 512 507 4728 – E-Mail: christian.roos(at)uibk.ac.at
Web: https://www.uibk.ac.at/sp-physik/research-groups/c-ross.html.en