Eine 40-jährige Reise zum Verständnis des Duffing-Oszillators


Ein Forschungsteam der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (BAdW) und der Technischen Universität München (TUM) hat eine seit langem bestehende Diskrepanz zwischen der klassischen und der Quantenbeschreibung des nichtlinearen Duffing-Oszillators aufgelöst, indem es die Quantendynamik eines Modellsystems untersucht hat, das aus einem einstellbaren nichtlinearen supraleitenden Resonator besteht.

Wigner-Funktion des stationären Zustands beim dissipativen Phasenübergang mit zunehmender Antriebsstärke ξ0 (oben: Theorie, unten: Experiment). Bei kleinen und großen Antriebsstärken ist der stationäre Zustand annähernd ein kohärenter und gequetschter Zustand, der durch den Phasenübergangsbereich getrennt ist. Der Übergang zwischen den beiden Phasen erfolgt in einem relativ kleinen Bereich der Antriebsstärke, in dem der stationäre Zustand zwei ausgeprägte Teile im Phasenraum hat und eine gewichtete Mischung der beiden Phasen ist.

Der Duffing-Oszillator, benannt nach dem deutschen Ingenieur Georg Duffing, ist ein einfaches, aber prototypisches Modellsystem in der nichtlinearen Physik. Bereits 1976 stellten Landau und Lifshitz in ihrem berühmten Lehrbuch der Theoretischen Physik [1] fest, dass ein bemerkenswertes Merkmal des Duffing-Oszillators die Existenz eines Double-Well-Potentials ist, das zu zwei stationären Lösungen bei der gleichen Parametereinstellung führt. Dies führt zu einem Hystereseverhaltender Schwingungsamplitude in Abhängigkeit von der Antriebsstärke. Je nachdem, ob man mit zunehmender oder abnehmender Antriebsstärke in den Hysteresebereich eintritt, nimmt der Duffing-Oszillator bei gleichem Antrieb zwei unterschiedliche Schwingungsamplituden an. Diese Bistabilität des Duffing-Oszillators wurde mit verschiedenen experimentellen Plattformen ausgiebig untersucht. So wurden beispielsweise bahnbrechende Experimente von Gerhard Rempe et al. zur optischen Bistabilität durchgeführt [2]. Eine rätselhafte Eigenschaft, die bereits in den 1980er Jahren von Drummond und Walls angesprochen wurde [3] und die Physiker seither beschäftigt, ist die Tatsache, dass im Gegensatz zur klassischen Beschreibung eine vollständig quantenmechanische Behandlung des Duffing-Oszillators nur eine einzige Lösung für einen stationären Zustand und damit keine Bistabilität vorhersagt [3].

Wie jetzt in Nature Communications veröffentlicht wurde, ist es einem Team des Walther-Meißner-Instituts (WMI) unter der Leitung von Prof. Gross gelungen, diese Diskrepanz aufzuklären. Sie verwendeten abstimmbare nichtlineare supraleitende Resonatoren, um die Nicht-Gleichgewichtsdynamik des Duffing-Oszillators zu simulieren. Vor allem aber gelang es ihnen, sowohl die klassische als auch die Quantenbeschreibung in einem einheitlichen Bild der Quantenmetastabilität zusammenzuführen. Sie zeigten, dass die beiden klassisch betrachteten stationären Zustände in Wirklichkeit metastabile Zustände sind. Diese Zustände sind Näherungslösungen der Schrödinger-Gleichung mit einer bemerkenswert langen Lebensdauer, sollten aber schließlich in den von der Quantenmechanik vorhergesagten einzigen stationären Zustand übergehen. Indem sie die Lebensdauer der metastabilen Zustände manipulierten, beobachteten sie erfolgreich einen dissipativen Phasenübergang erster Ordnung, der hinter dem faszinierenden Verhalten des Duffing-Oszillators steht. Sie führten auch eine Quantenzustands-Tomographie durch, die es ihnen ermöglichte, das mikroskopische Bild des Phasenübergangs zu enthüllen.

Künstlich hergestellte Festkörper-Quantensysteme haben ein enormes Potenzial

Die in Nature Communications vorgestellte Arbeit ist ein schönes Beispiel dafür, wie künstlich hergestellte Quantensysteme zur Lösung interessanter physikalischer Fragen eingesetzt werden können. "Generell haben solche gut kontrollierten, künstlich hergestellten Festkörper-Quantenschaltungen ein enormes Potenzial sowohl für die Untersuchung wichtiger Fragen in der Grundlagenforschung als auch für die Realisierung von Anwendungen in der Quantentechnologie", betont Rudolf Gross, wissenschaftlicher Direktor am WMI, Professor an der TUM und Sprecher des Exzellenzclusters MCQST. So plant sein Team beispielsweise, mehrere supraleitende Duffing-Oszillatoren zu komplexeren Systemen zu koppeln, um Simulationen von stark korrelierten bosonischen Systemen durchzuführen. Die allgemeine Vision ist es, in-situ abstimmbare supraleitende Quantenschaltungen als vielseitige Plattform für die Simulation und das Verständnis komplexer Probleme in der Physik der kondensierten Materie zu nutzen.

[1] L. D. Landau and E. M. Lifshitz. Mechanics, volume 1 of Course of Theoretical Physics Series. Butterworth-Heinemann, 3rd edition, 1976.
[2] G. Rempe, R. J. Thompson, R. J. Brecha, W. D. Lee, and H. J. Kimble. Optical bistability and photon statistics in cavity quantum electrodynamics. Phys. Rev. Lett. 67, 1727–1730 (1991).
[3] P. D. Drummond and D. F. Walls. Quantum theory of optical bistability. I. nonlinear polarisability model. J. Phys. A: Math. Gen., 13(2): 725–741 (1980).
 

Quelle: WMI-Webseite

Publikation:

Quantum behavior of the Duffing oscillator at the dissipative phase transition
Q. Chen, M. Fischer, Y. Nojiri, M. Renger, E. Xie, M. Partanen, S. Pogorzalek, K. G. Fedorov, A. Marx, F. Deppe, R. Gross,
Nature Communications 14, 2896 (2023)
DOI: 10.1038/s41467-023-38217-x

Acknowledgements:

Diese Arbeit wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Rahmen der Exzellenzstrategie (EXC-2111-390814868), von der Europäischen Union im Rahmen des Quantenflagship-Projekts QMiCS (Nr. 820505) und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen des Projekts QuaRaTe (Nr. 13N15380) gefördert. Diese Forschung ist auch Teil des Munich Quantum Valley, das von der Bayerischen Staatsregierung mit Mitteln aus der Hightech Agenda Bayern Plus gefördert wird.

Kontakt:

Prof. Dr. Rudolf Gross
Physik-Department, Technische Unversität München und
Walther-Meißner-Institutt, Bayerische Akademie der Wissenschaften

Walther-Meißner-Str. 8, 85748 Garching, Deutschland
Tel.: +49 89 289 14249, E-Mail: Rudolf.Gross(at)wmi.badw.de

 

Links: