„Halbleiter sind in allen Geräten enthalten, die wir als ‚smart‘ bezeichnen würden“, beginnt Jelena Nincovic ihren einführenden Vortrag am Max Planck Halbleiterlabor. Das Labor zählt zu den weltweit führenden Forschungseinrichtungen im Bereich der Halbleitertechnologie. Erst im letzten Jahr wurde das neue Gebäude des HLL auf dem Forschungscampus Garching mit mehr als 1500 Quadratmetern hochmoderner Laborfläche eröffnet. Ein einzelnes Haar, ein winziges Staubkorn, kleinste Faserreste: All jene Partikel, die jede:n im Alltag in einer Art Wolke umhüllen, würden hier, in der Fertigung hochpräziser Halbleiter, zum Problem. In den Reinräumen wird die Luft daher unter großem Aufwand gefiltert, bis sie nahezu komplett frei von unerwünschten Partikeln ist – je nach Reinraum-Klasse bis zu zehnmal reiner als ein steriler Operationssaal. Weniger als 1000 Partikel, unsichtbar für das bloße Auge, befinden sich in einem Kubikmeter Luft des 600 Quadratmeter großen Reinraums der dritthöchsten Reinheitsklasse am HLL. Ein stetiger, vertikaler Luftstrom, der gefilterte Luft von oben in die Räume einspeist und, durch gelöcherte Tische und Bodenplatten hindurch, nach unten ausleitet, sorgt dafür. Zum Vergleich: Ein Kubikmeter normaler Raumluft erhält über 35 Millionen Partikel. Höhere Reinheitsklassen könnten laut Jelena Nincovic, die das Halbleiterlabor seit mehr als zehn Jahren leitet, nur in voll automatisierten Laboren erreicht werden, wie sie in der Industrie zum Teil genutzt werden. Menschen hätten hier keinen Zutritt mehr, sondern steuerten alle Vorgänge von außerhalb.
Am HLL, wo präziseste Halbleitertechnologien in bis zu 500 aufeinander abgestimmten Prozessschritten entwickelt werden, würde sich eine solche Automatisierung nicht lohnen – zu unterschiedlich sind die Projekte, als dass ein Roboter die Aufgaben im Labor übernehmen könnte. Für die Wissenschaftler:innen am HLL bedeutet das, sich täglich aufwendig für den Reinraum einzukleiden. Angefangen bei spezieller Unterkleidung über die Schutzkleidung mit Überschuhen, Handschuhen und Masken bis zur Schutzbrille, die die einzige frei gebliebene Stelle – die Augen – auch noch bedeckt. Über eine Schleuse betreten die Forschenden den Reinraum, unter einer Luftdusche werden dabei die letzten Partikel entfernt. Für Notizen gibt es Spezialpapier, das im Gegensatz zu herkömmlichem Papier keine winzigen Papier-Partikel in die reine Luft einträgt. Auch die Bewegung der Wissenschaftler:innen im Reinraum ist darauf ausgelegt, die Partikelfreiheit zu gewährleisten: immer möglichst langsam, um keine Luftverwirbelungen zu erzeugen.
Nach der ausführlichen Erklärung zu Aufbau und Benutzung der Reinräume stellt sich den Besucher:innen dennoch eine weitere Frage: Warum sind Reinräume meistens gelb? Das habe mit der Photolithografie zu tun, erklärt Jelena Nincovic, einem Verfahren, bei dem mittels UV-Strahlung Strukturen auf die Silizium-Wafer aufgebracht werden. Das gelbe Licht und die gelbe Folie an allen Fenstern verhindern, dass UV-Strahlung die Materialien ungewollt und unkontrolliert belichtet. Die Kontrolle jeglicher Parameter ist von großer Bedeutung für die Fertigung hochentwickelter Halbleiterdetektoren, die für wissenschaftliche Experimente bestimmt sind. Die Sensoren des HLL kommen dabei weit herum. Gerade sucht beispielsweise ein Spektrometer des HLL nach Leben auf dem Mars. Ein Röntgenteleskop auf einem Satelliten kartierte das gesamte Universum in Röntgenstrahlung und entdeckte neue schwarze Löcher. Und auch auf der Erde sind die HLL-Sensoren im Einsatz, um neue Physik zu entdecken, beispielsweise im ATLAS-Experiment am CERN. Auch im Munich Quantum Valley nimmt das HLL eine zentrale Rolle ein. In Zusammenarbeit mit der Technischen Universität München und dem Walther-Meißner-Institut, beide in Sichtweite auf dem Forschungscampus gelegen, werden zukünftig in den neuen Räumlichkeiten supraleitende Qubits höchster Qualität als Schlüsselkomponenten für zukünftige Quantencomputer entwickelt.
Im Anschluss an den Vortrag, bei dem bereits viele Fragen gestellt wurden, konnten die Besucher:innen einen Blick in die Reinräume werfen. Da nach der Einführung allen bewusst war, mit was für einem Aufwand das Betreten von Reinräumen verbunden ist, verwunderte es niemanden, dass die Labore nur virtuell besichtigt werden konnten. Die mit einer Drohne gefilmten Videos vermittelten problemlos den Eindruck, wie es ist, mitten im gelblich leuchtenden Labor zu stehen und dort Experimente durchzuführen. Echte vom HLL hergestellte Sensoren und im Licht bunt schimmernde Siliziumwafer konnten die Besucher:innen dann zum Abschluss trotzdem noch aus nächster Nähe bewundern. Die Vorstellung der ausgestellten Exponate wurde ebenfalls mit sehr großem Interesse und begleitet von unzähligen Fragen aufgenommen.
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